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Classical Brein

CD-Kritiken

mica - music austria

Michael Ternai

GEORG BREINSCHMID – „CLASSICAL BREIN“

2. September 2022

Eine spektakuläre musikalische Reise durch die unterschiedlichen Stile, Epochen und Kulturen – GEORG BREINSCHMID beweist mit seiner Doppel-CD „Classical Brein“ (BeinMUSIC; VÖ: 2.9.), dass er nicht nur als Musiker eine vortreffliche Figur macht, sondern auch als Komponist.

Man kennt Georg Breinschmid als einen Kontrabass spielenden musikalischen Freigeist, der in der Vergangenheit in seinen zahlreichen Projekten sein allumfassendes musikalisches Verständnis, sowie wie seine große Offenheit bereits oftmals eindrucksvoll unter Beweis stellen konnte. Der gebürtige Niederösterreicher ist ein Musiker, der mit Freude zwischen den stilistischen Stühlen Platz nimmt und sich in seinem Tun keinster Weise irgendwie einschränken lässt. In diesem Sinne ist auch sein Doppelalbum „Classical Brein“ zu verstehen, auf dem er wirklich alle Register seines Könnens zieht.  

Anders als sonst zeigt sich Georg Breinschmid auf diesem Doppelalbum vor allem als Komponist. Natürlich ist er in dem Stücken auch mit seinem Instrument zu hören, doch die Bühne überlässt er überwiegend den zahlreich vertretenen Gästen, die seine Ideen in Musik übersetzen. Wie man es von Georg Breinschmid kennt, verortet er seine Stücke im irgendwo Dazwischen. Die Klassik dient für ihn als Basis, von der er aus in unterschiedlichste musikalische Richtungen für unterschiedlichste instrumentale Konstellationen schreibt.

Grob lässt sich das Album in drei zentrale Kapitel teilen. Es beginnt mit vier sehr abwechslungsreichen Sätzen für Streichquartett, in denen es alles andere als rein klassisch zugeht. Es wird der stileübergreifende Ton zelebriert, der von der Klassik über Walzerrhythmen und folkigen Passagen bis sogar hin zu leicht poppigen Elementen reicht. In eine ähnliche, aber doch auch wieder ganz andere Kerbe schlägt der zweite große Teil. Geschrieben für einen Klavierquintett verorten sich die Impressionen für Violine, Viola, Violoncello, Kontrabass und Klavier im weiten Spannungsfeld zwischen Klassik, Kammermusik und Jazz. Was man zu hören bekommt, sind einmal mehr Kompositionen großer musikalischer Vielfalt, die wunderbar warm im Klang von stimmungsvoller Eleganz getragen werden.

Die Sinfonia concertante für Violine, Kontrabass und Streichorchester, die im Rahmen des Allegro Vivo Festivals im Stift Altenburg aufgenommen wurde, leitet als dritter großer Teil die zweite CD des Doppelalbums ein. Und wenig überraschend geht es auch hier um die Annäherung an die klassische Tradition aus unterschiedlichsten musikalischen Richtungen. Miteinander verbunden bzw. ergänzt werden die drei zentralen Teile der Doppel-CD durch stilistisch wieder komplett andersartige Stücke, wie etwa durch die Sprach(spiel)kompositionen „Die Zukunft der Musik“ und „Nachtgedanken“ (mit dem Journalisten Axel Brüggemann), das Wienerlied „Wer ist der Tod“ (mit der Vokalistin Caroline Athanasiadis) und zwei Kontrabass-Konzerte (mit Dominik Wagner). Quasi als Draufgabe gibt es abschließend die schwungvolle Folk-Jazz-Nummer Spring Dance für Violine, Klarinette, Violoncello und Akkordeon.

Was zu allem hinzukommt ist, dass sich Georg Breinschmid immer wieder für Überraschungen einfallen lässt. Wer rechnet schon mit einem urplötzlichen Wechsel hin zu einem laut verzerrten, fast schon metalartigen Part, wie er sich in dem Stück „Die Zukunft der Musik“ vollzieht. Solcherart unvorhersehbare Einwürfe finden sich auf „Classical Brein“ einige, was letztlich die ohnehin schon facettenreiche Geschichte zu einer noch facettenreicheren macht.

Zusammenfassend kann man sagen, dass Georg Breinschmid mit seiner Doppel-CD großes Kino abliefert. Es ist ein echter Genuss, sich durch die Musik des komponierenden Kontrabassisten zu hören, ganz einfach, weil sie so viel zu bieten hat und einen Klang eines unglaublich einladenden Charakters besitzt.  Ein richtig buntes musikalisches Spektakel.

Neben Georg Breinschmidzu hören sind auf diesem Album: Academia Allegro Vivo, Caro Athanasiadis, Matthias Bartholomey, Jeremias Fliedl, Michael Günther, Vahid Khadem-Missagh, Maximilian Kromer, Bogdan Laketic, Benedict Mitterbauer, Stefan Pöchhacker, Martin Rainer, Benjamin Schmid, Emmanuel Tjeknavorian und Dominik Wagner.

Wiener Zeitung

Christoph Irrgeher

Knallbuntes Kaleidoskop

13.09.2022

Der Freistilmusiker Georg Breinschmid präsentiert sich auf CD als Komponist.

Die Zeit, sie eilt. Jetzt ist es auch schon 14 Jahre her, dass Georg Breinschmid, damals als begnadeter Kontrabassist in der heimischen Jazzszene geschätzt, erstmals mit einem üppigeren Album als Komponist auf sich aufmerksam gemacht hat. Seine Doppel-CD "Wien bleibt Krk" erwies sich 2008 als eine der schönsten Früchte des Hypes um die Tanzmusik vom Balkan: Der gebürtige Amstettener hatte sich Instrumentalstücke entstoßen, die mit asymmetrische Rhythmen in die Beine fuhren und mit glühenden Melodielinien auf ekstatische Gipfel zusteuerten. Damit nicht genug, ergänzte Breinschmid das Album mit schelmischen Wienerliedern und frönte seiner Lust an Hommagen und Collagen mit Schlenkern in Richtung Klassik und Jazz - Stile, die in Breinschmids Welt ohnedies nah beinander liegen, allzeit bereit dazu, fröhlich miteinander verquirlt zu werden.

An dieser Ausrichtung Breinschmids - Musik als knallbuntes Kaleidoskop - hat sich bis heute nichts geändert. Allerdings: Der 49-Jährige positioniert sich auf seinem neuen Doppelalbum stärker als Komponist denn je und stellt Eigenkreationen vor, die vor allem im Auftrag klassischer Ensembles und Festivals entstanden sind. "Vier Sätze für Streichquartett" etwa oder die "Impressionen für Klavierquintett" - handwerklich gediegene Stücke, die in ihrer Besetzung eherne Traditionen der "Ernsten" Musik aufgreifen. Dennoch behält Breinschmid seinen eklektischen Ansatz bei. Das Quintett etwa: Auf einen zwingend swingenden Satz folgt ein Stück, das halb an eine Popballade erinnert, halb an eine Kantilene der Groupe des Six - eine Mehrdeutigkeit, die delikaten Reiz besitzt. Das ist aber nicht immer so. Das Streichquartett - anfangs fesselt es mit dem schroffen, expressiven Tonfall eines Dmitri Schostakowitsch - kippt wenig später ein krudes Zickzack aus Schubertianischen Kantilenen und kreuzfidelen Zitaten ("Zillertaler Hochzeitsmarsch"!). Offen gesagt: Wer an einem Musikstück innere Stimmigkeit schätzt, wird sich hier mitunter schwertun. Wer einen Stilbruch jedoch nicht als Beinbruch empfindet, sondern eher als Bindeglied auf dem Weg durch eine abenteuerliche, knallbunte Klangwelt, dürfte mit Breinschmids Stücken, interpretiert von Spitzenkräften wie Emmanuel Tjeknavorian, Benjamin Schmid und Matthias Bartolomey, seine helle Freude haben.

Wenn sich mehrere Klassik-Stars für ein Kammerkonzert zusammentun, ist Skepsis mitunter angebracht. Es macht nicht selten den Eindruck, dass solche Gruppen mehr Prominenz als Kompetenz auf die Waage bringen - und dass es da auch mit dem viel beschworenen gemeinsamen Atmen nicht weit her ist. Ganz anders das Trio Yuja Wang, Gautier Capucon und Andreas Ottensamer. Was für eine feinfühlige Kammermusikerin in der chinesischen Über-Pianistin steckt, erweist sich im Mittelsatz von Brahms’ Cello-Sonate auf betörende Art; es ist ein Genuss, wie geeint die Tastenvirtuosin und der klangsinnliche Franzose auch die emotionalen Verläufe der wundervollen g-Moll-Sonate Rachmaninows ausgestalten und schlussendlich gemeinsam mit Ottensamer im Brahms’schen Klarinetten-Trio brillieren.

Crescendo (DE)

Stefan Sell

Frei konzi­piert, kompo­niert und musi­ziert

16.09.2022

Der Kontrabassist Georg Breinschmid versprüht auf seinem Album »Classical Brein« ein Feuerwerk an Zitaten und bezieht Stellung.

So manche Veröf­fent­li­chung löst das Gefühl aus, den Kopf einzu­ziehen und zu hoffen. Hoffen, all das, was uns da um die Ohren fliegt, möge vorbeis­ausen. L’art pour l’art. Nicht so der Kontra­bas­sist Georg Brein­schmid. Hier gibt es Message und Musi­ka­lität erster Klasse aus einem Guss! Er bezieht Stel­lung, lässt Klar­text verlauten, höchst kunst­sinnig, raffi­niert ausge­tüf­telt und durch­kom­po­niert.

Da prokla­miert Axel Brüg­ge­mann „Musik ist Frei­heit!” Und während er wunderbar über die Zukunft von Musik und Frei­heit sinniert, hat sich Brein­schmid gleich wieder alle Frei­heiten genommen und in einem Schwung Musik daraus gemacht. Ist das Avant­garde? Zeit­ge­nös­sisch? Klas­sisch? Jazz? Heavy Metal? Nein, eine Sensa­tion! Brein­schmids Leich­tig­keit, wirk­lich alles spielen zu können, macht dieses neue Doppel­album zur Sensa­tion und zu einem abso­luten Hörver­gnügen. Diese Einspie­lung hat es in sich, so erfri­schend, so wohl­tuend frei konzi­piert, kompo­niert und musi­ziert, hier macht einer unge­bremst vor gar nichts Halt. Wobei, „einer” stimmt nicht, es ist zwar alles von und mit Brein­schmid, aber allein ist er nicht. Es versam­melt sich die Crème de la Crème öster­rei­chi­scher All Stars wie die Violi­nisten Benjamin Schmid und Emma­nuel Tjekna­vo­rian, wie auch der Bassis­ten­kol­lege Dominik Wagner, die Academia Allegro Vivo und viele andere. Wenn ein Feuer­werk von Zitaten und Remi­nis­zenzen sprüht, in dem Schu­bert, Chopin, Mozart, Poulenc, Bern­stein, das Wiener­lied, Klez­mer­musik, Balkan­rhythmik, Volks­musik, Pop, Jazz und vieles mehr aufleuchten, so ist der geniale Clou: Das ist alles Brein­schmid pur! Das ist anar­chisch, komisch, ironisch, süß, krass und vor allem voller Wunder!