„Ich bin kein typischer Kontrabassist“, sagt der Wiener Georg Breinschmid (*1973) mit gnadenlos englischem Understatement: Mag sein, doch das hinderte ihn nicht daran, bis heute sowohl zu einem der herausragendsten Könner auf dem Instrument zu avancieren als auch zu einem der bekanntesten österreichischen Musiker überhaupt. Und nicht zu vergessen: einem der überraschendsten zeitgenössischen Komponisten und Texter zwischen allen Stilen und Stühlen.
Der Bass war zunächst tatsächlich ein „Flucht-Thema“: Um von der ungeliebten „normalen“ Schule abgehen zu können, griff er sich kurzerhand einen zufällig im Elternhause herumliegenden Tieftöner und konnte so aufs Musikgymnasium wechseln. Zunächst studierte Breinschmid klassischen Kontrabass und war in der zweiten Hälfte der 90er-Jahre u.a. bei den Wiener Philharmonikern fürs klangliche Fundament zuständig. Doch kurz vor der Wende zum neuen Millennium schlug sein Herz für seine zweite Liebe, den Jazz laut. So laut, dass er die Seiten wechselte – ohne freilich den klassischen Errungenschaften der Vergangenheit abzuschwören.
Seitdem frönt er einem gänzlich unorthodoxen Repertoire, mit dem Grundsockel im Jazz, aber vielen Ästen und Verzweigungen hinein in andere Welten von Wienerlied bis Klassik, von Dada bis Kabarett, profitierend von seiner „breiten Aufstellung“ als Bassist, Komponist, Arrangeur und sogar Vokalist. Breinschmids Kreativität verströmt sich auf prall gefüllten Doppelscheiben mit einer ebenso prallen Gästeliste. Das startete mit „Wien bleibt Krk“ (2008), wo die Donaumetropole immer mit einem ungeraden Takt mitten im Balkan steht. Sie zog sich hinweg über „Brein‘s World“ (2010) und „Double Brein“ (2014), und sie ist vorerst zur jüngsten Station im „Breinländ“ (2018) gelangt: kreisende Walzer, verjazzter balkanischer Atem, funkige E-Bass-Interludien, vertonte Poesie von Jandl und Rückert, Auftragswerke für Klassik und Jazz-Ensembles – und nicht zuletzt eine Orchesterfantasie über die Oper „Carmen“ für Solobass.
Das international gerühmte Albumschaffen des zweifachen Hans Koller-Preisträgers ist aber nur die Spitze eines schillernden Kollaborations-Kosmos. Der nahm seinen Anfang im Vienna Art Orchestra (1999-2006), von dem aus er in mannigfaltigste Ensemble-Formate vorstieß. Eine gewisse Vorliebe für flotte Zweier und Dreier ist da unverkennbar. Aktuell im Fokus: Die „First Strings On Mars“ etwa, wo sich der Bass als Pascha unter den beiden Violinen von Florian Willeitner und Igmar Jenner tummelt. Schwindelerregend, wie mit dieser konzentrierten Besetzung bluesig-jazziges Vokabularium, österreichisches Tanzgut und Anklänge der Neuen Musik durcheinandergerüttelt werden. Ebenso gelingt in der Formation „Brein, Schmid & Gansch“ eine Neudefinition von Kammermusik mit Weltgewandtheit: Breinschmid, der universell bewanderte Geiger Benjamin Schmid und Mnozil Brass-Gründertrompeter Thomas Gansch verleihen ihr Esprit, Originalität und vor allem viel Groove. Mit Trompeter Gansch im Duo geht Breinschmid nochmals andere Wege: Zwischen ihm und dem „Dizzy Gillespie Wiens“ funkt es im Programm „Bransch“ zwischen Balkan-Wollust, Reminiszenzen an Barock und Rossini sowie kabarettistischen Einlagen.
Doch dann ist da das zweite und dritte Gesicht des Georg Breinschmid, das immer heller leuchtende Antlitz des Komponisten sowie Songwriters/Texters: seine Werke werden von Kammerensembles bis hin zu Orchestern weltweit aufgeführt, er schreibt Auftragswerke für zahlreiche Festivals und Kollegen wie bspw. Geiger und Dirigent Emmanuel Tjeknavorian, mit dem ihn eine intensive Zusammenarbeit verbindet. Stilbeschreibung: „zeitgenössisch“, ja freilich! Aber was für eine blasse Vokabel für diese Elaborate, in denen sich Blues, Ragtime, Wienerwalzer und Dada-Interludien begegnen, barocke Sequenzen mit der Tonsprache von Strawinsky, Weill, Schönberg und Gershwin anbandeln. Die Palette reicht von einem fünfsätzigen Klavierquintett bis zu einem Neujahrskonzert für Kontrabass und Orchester, das er seinem neuen, jungen Duopartner Dominik Wagner auf den Leib schneiderte.
Und schließlich noch ein paar Worte über Breinschmid, den Wortgewaltigen, die zwangsläufig dürr bleiben müssen. Über die Sprache erfolgt bei ihm immer wieder der höchst originelle Rückzug in die Heimat: sei es mit einem epischen Rap auf den Bezirk Hernals, sei es in einer Adaption von François Villon-Lyrik à la viennoise oder einer skurrilen Hymne auf die Caféhaus-Ober. Ein adäquates Bühnen-Gegenüber hat Breinschmid neuerdings in einem ebenso halsbrecherischen Hirnakrobaten gefunden, dem Kabarettisten Gunkl, mit dem zusammen er aus seinen überquellenden Schatztruhen der Wortspielereien schöpft.
Breinschmids barrierefreie Klang- und Dichtphilosophie in his own words: „Ich mache, spiele, schreibe, komponiere, texte, singe, zupfe, streiche so viele unterschiedliche Arten von Musik nicht, um irgendjemandem etwas zu beweisen, sondern weil es für mich ganz einfach das einfachste, natürlichste ist, so Musik zu machen und Musik zu erschaffen. Grenzen-los, so wie es die Welt eben ist.“
© Stefan Franzen
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