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Double Brein

CD-Kritiken

Rondo

Werner Stiefele

Der Mann ist ein Original. Georg Breinschmid, 1996 bis 1999 Mitglied der Wiener Philharmoniker, bringt zusammen, was nach landläufigen Vorstellungen nicht zusammenpasst. Er singt in der Tradition der Liedermacher und Kaffeehausmusiker Stücke mit skurrilen Texten, er verwandelt Franz Liszts „Mephistowalzer“ in einen wilden Parforceritt für Klavier, Geige und Kontrabass und für „Brein’s Knights“ rockt er mit zwei Geigern, einem Cellisten und dem eigenen Kontrabass wild und kunstvoll los. Seine Version des zweiten Satzes aus Johann Sebastian Bachs a-Moll-Violinkonzert groovt mit Kontrabass, Vibrafon und Klavier, und seine Version der Verdi-Arie „La Vecchia“ bezieht neben einem Geiger einen Akkordeonisten ein.

Zwei Discs umfasst das Album, die eine eher von klassischen Themen geprägt und die andere mit Trompeter, Saxofonisten und Vibrafonisten als Partnern etwas näher am Jazz. Klassik, Jazz, Balkanfolklore, Samba, Klezmer, Walzer, Blues, Gipsy-Swing und Rock: Das sind nur einige Bestandteile der Breinschmid’schen Welt und gleichzeitig ein Spiegel seiner musikalischen Biografie nach dem Ausscheiden aus dem Weltklasseorchester. Die führte ihn unter anderem ins Vienna Art Orchestra und die Weinrich Group. Dabei macht er sich mit wechselnden Besetzungen einen Spaß daraus, den Stücken mit überraschenden Brüchen eine vorab kaum zu ahnende neue Richtung zu geben, ins Burschikose abzudriften, Klischees zu zitieren, zu überhöhen und zu verwerfen, Melodienseligkeit durch Kratzgeräusche auf dem Kontrabass zu zerstören. Die Fülle der Stilzitate schafft eine falsche Vertrautheit, doch der Breinschmid’sche Klanganarchismus verscheucht jedes Gefühl der Heimeligkeit. Das alles klappt nur, weil Breinschmid ein solch exzellenter Kontrabassist ist, dass auch die wildesten Brüche nie zu Unsicherheiten oder ins unkontrollierte Chaos führen. Das macht das 2010 bis 2014 bei Konzerten und in diversen Studios aufgenommene Doppelalbum zu einem Riesenspaß.

Pressetext

Manfred Horak

Musik – unendliche Weiten. Wir schreiben das Jahr 2014 und dringen mit Double Brein in unbekannte musikalische Gegenden vor/ein, die uns neue Erkenntnisse bringen. Erkenntnisse, wie originell und originär zugleich Musik sein kann. Dabei stand zu Beginn Georg Breinschmid, dem Mann mit Hut am Kontrabass, eine scheinbar unüberwindbare Krise im Weg, überhaupt nur daran zu denken Lieder für ein neues Album aufzunehmen. Ein Refrain, bei einem Spaziergang ersonnen, löste schließlich diese Hürde: „Und die Lösung steht direkt vor mir / nur i siach´s ned, nur i siach´s ned..“. Daraus entstand recht schnell ein Lied, ein Studiotermin, ein Füllhorn an Ideen, ein Doppelalbum, mitfinanziert durch Crowdfunding. 
Seit viel zu langer Zeit schon wird Musik in E und U eingeteilt, was weder zutreffend noch erhellend, dafür aber allemal praktisch ist, wie im Falle von Double Brein. Auf CD2 gibt Klassik den Ton an, auf CD1 hören wir gesungene Lieder und Instrumentalstücke in einer kolossalen Bandbreite von Jazz bis Wienerlied bis Reggae bis Folk bis Blues und – ach! – eine wahre Wundertüte liefert Georg Breinschmid hier ab. Sein Vermögen, all das auf höchstem Niveau zu vermengen und aufzubereiten ist allerdings nie eine bewusste intellektuelle Überlegung gewesen: „Es klingt fast klischeehaft, wenn man das sagt, aber es gab für mich immer nur eine Musik, egal wie es etikettiert war. Ich bin erst mit den Jahren draufgekommen wie sehr die einzelnen Musikrichtungen soziale Unterschiede bedeuten oder Cliquenbildungen generieren und gesellschaftspolitische Dinge mitspielen, die mit der jeweiligen Musikrichtung verbunden sind. Insofern hoffe ich, mir diesen frischen, unbekümmerten Zugang zur Musik erhalten zu haben.“

CD1

Und genau diese Unbekümmertheit hält auf Double Brein mit 15 Eigen- und Co-Kompositionen (CD1) Einzug, egal ob im personell neu formierten Brein’s Café mit Vladimir Karparov/Gerald Preinfalk (Sopran Sax) und Antoni Donchev (Piano) oder mit seinem kongenialen langjährigen Duo-Partner Thomas Gansch (Trompete, Gesang), und egal ob im Verbund mit Benjamin Schmid (Violine) und Diknu Schneeberger (Gitarre) oder mit Franck Tortiller (Vibraphon) und Michael Hornek (Piano), bzw. im Traditional „Kopanitsa“ – erstmals! – mit Wiener Folk-Musikern. Letzteres ist übrigens ein Produkt einer Jam Session beim Wirten ums Eck, sorgfältig editiert für den aufgeschlossenen CD-Player. Der Einstieg in diese wunderbar tönende Ideenflut von Georg Breinschmid erfolgt mit einem Samba, frei nach dem Motto „die Liebe ging, der Samba blieb“, gefolgt von einem neuen Musette-Walzer mit Happy Ending. Danach geht es ab in den Tour-Bus, gelenkt vom Busfahrer Gabriel. Um sämtlichen Missverständnissen vorzubeugen: Textinhaltlich handelt es sich definitiv nicht um eine musikalische Reisetruppe auf den Weg nach Wien zum Eurovisions Song Contest 2015 (schließlich, wie bereits eingangs erwähnt, schreiben wir das Jahr 2014). Very groovy indeed! In diesem Sinne zwischen Groove und Wahnsinn angesiedelt befinden sich auf CD1 noch einige weitere diesbezügliche Co-Kompositionen mit Thomas Gansch, z.B. „Reich & Schön / Waltz of the Idiots“ (um Missverständnisse vorzubeugen: Nein…!) oder der triumphale Gassenhauer „Brein in da Koffihaus“ (aus der beliebten Reihe „Das Leben könnte ein Hit sein“) mit schönem Gruß an Herrn Verdi. Ein Novum hoch Zwei, handelt es sich dabei doch um den ersten Reggae des Duos und außerdem spielt Gansch hier Gitarre und lässt die Trompete ruhen. Fuck! – Und eine Pointe gibt es auch. Der Groove – oder ist es der Irrsinn? – greift freilich auch in anderen Besetzungen, z.B. im musikalischen Leckerbissen „Fifteen Schnörtzenbrekkers are better than none“ mit Franck Tortiller und Michael Hornek. Jazz hat schon lange nicht mehr so gut gerochen wie in dieser Breinschmid-Komposition. Eine weitere Seite entfacht Georg Breinschmid in den stillen, melancholischen und musikalisch reduktionistischen Momenten. Die zwei Herzstücke von CD1, „Wunder“ (jenes Lied, das Georg Breinschmid aus seiner bisher schlimmsten Krisenzeit hievte) und das Lebenssinn suchende „Danke“, stellen sich als berührende Momentaufnahmen eines Sängers dar, der sich selbst am (Kontra- und E-)Bass begleitet, einige Collagen inklusive. „Wunder und Danke waren die ersten Stücke, die ich bewusst für die CD aufgenommen habe. Wunder ist zudem eines meiner ersten Lieder, das textlich gänzlich von Humor befreit ist.“ Fehlt noch ein Teil-Aspekt von CD1: Der Blues muss ein Wienerlied sein (heißt es ab und an), und manchmal ist er musikalisch sehr leicht zu orten, der Blues, z.B. nächtens in der Küche (die wiederum überall sein kann). Jedenfalls, Antoni Donchev spätabends solo am Piano, das kann was. Die geografische Ortung ist ebenfalls ein Fixpunkt in der Breinschmid’schen Diskografie. Nach „Midnight in Heanois“ (aus: Wien bleibt Krk; 2008) und „Schnucki von Heanois“ (aus: Brein’s World; 2010) gibt es nun die Fortsetzung der Hernalser Trilogie mit „B’soffm in Heanois“, einem Wienerlied-Blues für Geeichte.

CD2

„Alles Klassik, oder was?“, könnte fast schon als Untertitel für CD2 herhalten. Der große Repertoire-Fundus von Georg Breinschmid brachte es mit sich, auf Double Brein eine ganze CD seinem ganz persönlichen Zugang zur Klassik zu widmen. Zur Erinnerung: Des Kontrabassisten erste Musikerkarriere war eine Fixanstellung als Wiener Philharmoniker, später folgte der abrupte Wechsel zum Jazz, zunächst als Sideman, dann die Jahre beim Vienna Art Orchestra und schließlich die Gegenwart. „In irgendeiner Form ist die Klassik immer ein Teil meines Spiels und Denkens gewesen, aber ich habe sie nicht sehr bewusst gepflegt die letzten Jahre. Im Sommer 2014 habe ich mein erstes nicht improvisiertes Konzert seit 16 Jahren gespielt. Generell liegt in der Luft, dass man sich von der streng notierten Urtextklassikauffassung entfernen will – und das passiert ja auch gerade.“ Am Anfang von CD2 steht der „Mephistowalzer Nr. 1“ von Franz Liszt, aufgenommen mit den Janoska-Brüdern Frantisek (Piano) und Roman (Violine). Liszt baute dieses Faust-Thema zu einem mitreißenden Höhepunkt auf, was auch als erste Darstellung eines Orgasmus in klassischer Musik gilt. Neben zwei weiteren Liszt-Stücken („Romance“, „Consolation“) spielt Breinschmid mit seinen exzellenten Musikerfreunden Tommaso Huber (Akkordeon), Sebastian Gürtler (Violine), Benjamin Schmid (Violine), Emil Spanyi (Piano), Thomas Dobler (Vibraphon), Diknu Schneeberger (Gitarre), sowie mit Brein’s Café und mit seiner neuen Streicherbesetzung Strings & Bass (Florian Willeitner, Johannes Dickbauer, Matthias Bartolomey) Stücke von J.S.Bach, G.Verdi, F.Kreisler, V.Monti. Vom jungen Passauer Geiger Florian Willeitner stammt das grandiose „Irish Wedding in Bucharest“ und Breinschmid selbst beweist sich vierfach ebenfalls als Klassik-Komponist. „Für mich persönlich ist es wahnsinnig wichtig, Musik zu schreiben. Ob das jetzt unter Klassik fungiert oder nicht – darüber habe ich nie nachgedacht. Vom Wesen dieser Stücke und von den Besetzungen her haben einige davon auf die Klassik-Seite gepasst. – Mir macht es einfach Spaß auch klassische Stücke improvisatorisch anzugehen. Ich möchte mich aber nie mit Bach oder Liszt messen.“ Nach zweieinhalb Stunden Spieldauer endet Double Brein, diese Nahrung der Seele, und die Gewissheit reift, dass in 100 Jahren oder so einige Musiker erklären werden, sie wollen sich nie mit Breinschmid messen.

Audio Magazin (D)

Werner Stiefele

Jazz-CD des Monats

Manche Musiker passen einfach in keine Schublade. Georg Breinschmid, 1996 bis 1999 Mitglied der Wiener Philharmoniker, ist so einer. Vor 15 Jahren verließ er das Weltklasseorchester, um im Vienna Art Orchestra und der Zipflo Weinrich Group zu improvisieren. Klassik, Jazz, Balkanfolklore, Samba, Klezmer, Walzer, Blues, Zigeunerswing, Rock, Kaffeehauslieder: Das ist alles eins, nämlich (seine) Musik. Und der Breinschmid selbst ist so ein formidabler Kontrabassist, dass sich vor allem bei schnellen Improvisationen Erinnerungen an das virtuose, vor Melodien strotzende Spiel von Ray Brown einstellen, dem Übervater aller Jazzbassisten. Das 2011 bis 2014 bei Konzerten und in diversen Studios aufgenommene Doppelalbum mit dem feinsinnigen Titel „Double Brein“ enthält unter anderem eine verblüffende Version von Franz Liszts „Mephisto Walzer“ und des zweiten Satzes aus Bachs A-Moll-Violinkonzert. Die meisten Stücke jedoch entstanden aus den jeweiligen Formationen, mal mit Gitarre, mal mit Vibraphon, mal mit Bläsern, mal mit Streichern und zwischendurch auch mit tiefgründigem Nonsensgesang. Ein Riesenspaß!

Miriam Danev Blog

Miriam Danev

Musischer Adventskalender 2014, Tür #24: Don´t talk & listen!

Jedes Mal, wenn ich das neue Album von Georg Breinschmid höre, zaubert es mir ein Lächeln ins Gesicht. Weil es so wunderbar leichtfüßig daherkommt. Weil es Humor & Weisheit mitbringt. Und weil es herrlich grooved. “Double-Brein” hat Breinschmid es genannt: zwei prallvolle CDs gibt es hier zu entdecken, die Breinschmid in einen “Jazz”-Schwerpunkt (CD 1) und eine “klassische” Seite (CD 2) aufgeteilt hat. Klassisch deshalb, weil der Kontrabassist, einst Mitglied der Wiener Philharmoniker, in letzter Zeit wieder in seine “klassische” Vergangenheit hineingeschnuppert hat, die er ein wenig vernachlässigt hatte. Aber Breinschmid wäre nicht Breinschmid, wenn er nicht wieder einmal kongenial Jazz, Wiener Lied, Folk, Impro, Eigenkompositionen und virtuose Arrangements berühmter klassischer Stücke mischen würde. So wird der “Mephisto-Walzer” von Liszt oder eine Arie aus Verdis “Il Trovatore” recht unorthodox in einem Arrangement von Tscho Theissing interpretiert während bei Bach auch mal die Zeit still stehen darf. Immer wieder streut Breinschmid Wiener Lieder ein, experimentiert, jammt mit Musikern aus der Wiener Folk-Szene und spielt mit seinen Stammbesetzungen wie dem Trompetenvirtuosen Thomas Gansch, den Brüder Jánoška aus Bratislava an Violine und Klavier oder der Triobesetzung mit dem Geiger Benjamin Schmid und dem Gipsy-Gitarristen Diknu Schneeberger – um nur einige wenige zu nennen. Jedes Stück hat seine eigene Geschichte: so ist die groovige “Kopanitsa”, ein traditioneller bulgarischer Tanz im 11/8 Takt, das Produkt einer wilden Jam Session, “B´soffn in Heanois” eine Hommage an seinen neuen Wiener Heimatbezirk und “Odessa” eine Reminiszenz  an jene Stadt, die Georg Breinschmid zu neuen kreativen Impulsen inspirierte. Insgesamt zweieinhalb Stunden Musik, die uns mal zum Lachen, mal zum Schmunzeln, mal zum Nachdenken und mal zum Insichgehen bringt. Musik, die uns an das Leben erinnert, mit all seinen Höhen und Tiefen. Georg Breinschmid bedankt sich dafürper Rap-Gesang mit Ernst und etwas Geblödel. “Das pralle Leben, es ist so schön / ach würde es doch niemals vergehn / nur irgendwann, isses sicher aus / und vorher will ich spenden rasenden Applaus / I sag Danke”. Wir auch. Danke, Georg!

Stereoplay (D)

Georg Breinschmid spielt unverschämt gut Kontrabass. So gut, dass ihm die feste Stelle bei den Wiener Philharmonikern zu langweilig war und er kündigte. Das Doppelalbum „Double Brein“ zeigt nun, warum es nur so sein konnte. Denn sowohl in seiner Jazz-Persona (in wechselnden Besetzungen mit Kollegen wie Trompeter Thomas Gansch) als auch in der Klassikversion, in der er Werke von Johann Sebastian Bach bis Franz Liszt interpretiert, ist Breinschmid schlicht famos, dabei zutiefst k.u.k. mit dem Hang zum musikalisch Burleskenund boxenfordernd in seinem Bedürfnis, das Letzte aus den Instrumenten herauszuholen.

Bayrischer Rundfunk (D)

Beate Sampson

Bei drei von 28 Stücken auf seinem neuen Doppel-Album ist Georg Breinschmid alleine zu hören. Den weitaus größten Teil der zweieinhalb Stunden Spieldauer verbringt der Bassist in etwas größeren Runden vom Duo bis zum Quartett. Da glänzt der Teamplayer als Virtuose oder lässt seine Mitspieler glänzen, wenn er das swingende Fundament der Musik liefert, deren Zusammenstellung heterogener nicht sein könnte.

Kein Wunder bei der Vita, denn bevor Georg Breinschmid sich entschied, auf eigene Faust mit kleinen Besetzungen berühmt zu werden, hatte er schon einige Jahre im Festengagement bei den Wiener Philharmonikern hinter sich und noch etliche mehr beim Vienna Art Orchestra. So „vorbelastet“ hat der klassisch geschulte Universalkünstler seine aktuelle Produktion in eine Jazz- und eine Klassikhälfte zerteilt. Wobei auch der nominell klassische Teil – etwa der „Mephisto-Walzer“ von Liszt oder eine Arie aus Verdis „Il Trovatore“ – recht unorthodox interpretiert wird und, passend zum Grundtenor der Einspielung, viel Aberwitz und Humor der Wiener Art versprüht. Seiner Heimatstadt huldigt Breinschmid übrigens auch mit Reminiszenzen ans Wiener Lied und den Wiener Walzer.

Vielfarbiges Feuerwerk

Mit elf unterschiedlichen Ensembles – meist solchen, mit denen er fest zusammenarbeitet – hat Georg Breinschmid dabei hörbar großen Spaß. Bei den quer gebürsteten Versionen bekannter Klassiker, und seinen etwa fünfzehn eigenen Stücken, von denen manche auch mit recht schönen Quatschtexten ausgestattet sind. Der Trompetenvirtuose Thomas Gansch, die Brüder Jánoška aus Bratislava an Violine und Klavier, der Vibraphonist Franck Tortiller, der Gypsy-Gitarrist Diknu Schneeberger und der Saxophonist Gerald Preinfalk – das sind sechs der insgesamt 24 Musikerinnen und Musiker, mit denen Georg Breinschmid auf seinem Album „Double Brein“ Stück für Stück ein vielfarbiges Feuerwerk zündet. Das hat den Charakter einer ungezwungenen Werkschau, bei der die Einfälle sprudeln, ein musikantisches Fest gefeiert und das große Vergnügen daran ausgiebig zelebriert wird – selbst in den darin auch vorkommenden melancholischen Passagen.

Nah am Geschehen

Aufgenommen wurde an den unterschiedlichsten Orten, in Clubs und in kleinen Studios. Ganz unmittelbar nah am Geschehen und der Spontaneität der Musiker fühlt man sich beim Zuhören. Die Klangqualität der Aufnahmen ist dabei über weite Strecken hervorragend . Nur ab und an ist er nicht ganz so brillant und differenziert, wie man das der Musik in ihrer schieren Überfülle gewünscht hätte. Ohne diese kleine Einschränkung wäre das Hörvergnügen rundum perfekt.

Westfälischer Anzeiger (D)

Ralf Stiftel

Georg Breinschmid lässt sich nicht festlegen. Im einen Moment fetzt er eine bulgarische Kopanitsa im Elf-Achtel-Takt dahin, dann wieder präsentiert er eine Musette mit dem Gipsy-Swing-Gitarristen Diknu Schneeberger. Dann präsentiert er im Duo mit Thomas Gansch den Reggae „Brein in da Koffihaus“ über die wichtigste Wiener Droge, das Koffein. In „Danke“ mischen sich Zynismus und Melancholie, da rappt er seinen Dank an die Autobahn für „das Radar“ und ans Internet „für den tollen Porno“, aber auch an den Herrgott, „dass beim Unfall niemand g´storbm is“.

Der 41-jährige Kontrabassist verließ 1999 die Wiener Philharmoniker, um Jazz zu machen. Alle zwei, drei jahre legt er nun Platten vor, meist Doppel-CDs, auf denen er in höchst kreativer Weise zwischen Jazz, Balkan, Wienerlied umherirrlichtert. Ein Muss für Musikfreunde, die das Außergewöhnliche mögen. Nur einer wie Georg Breinschmid bringt es fertig, aus der Bitte eine Busfahrers an seine unzuverlässigen Gäste einen Song zu machen: „Schpeibt`s mir bitte nicht in den Bus hinein.“ Die zweite CD ist seiner alten Liebe gewidmet, der Klassik, und da fetzt er eine Fassung von Liszts Mephistowalzer hin, dass kein Auge trocken bleibt, und schreckt vor Verdi nicht zurück.

Manchmal meint er es auch einfach nur ernst und gut, dann spielt er zum Beispiel Bachs Violinkonzert a-moll mit Pianist Emil Spanyi und Vibraphonist Thomas Dobler, und da swingt der Thomas-Kantor so, dass man wünscht, sie würden nie mehr aufhören.

Kulturkomplott (D)

Jörg Konrad

Wer allein in stilistischen Kategorien denkt – der wird bei ihm enttäuscht. Aber wer macht das heute schon? Zumindest der bewusste Hörer gibt sich vielseitig, denkt universell. Eigentlich ganz im Sinn von Georg Breinschmid.
Sein neustes Werk vereint musikalische Diskurse, die man so nicht kennt, die aber unter seiner Regie so aufregend und harmonisch klingen. Samba, Walzer, Jazz, Rap, Reggae, Klassik, Blues – Breinschmid macht Wien, dem einstigen kulturellen Zentrum Europas, musikalisch alle Ehre. 
Er ist ein Bassist der Superlative und er tappt in allem was er komponiert, arrangiert und interpretiert, nie in eine dieser schmerzhaften Fußangeln, die sich Crossover nennen und in überdimensionierten Musentempeln so unangenehm gefeiert werden. Denn Breinschmids Musik ist voller Abenteuer, spannend wie eine Reise im Orientexpress im vorletzten Jahrhundert. Diskret geht er dabei nicht immer vor. Er zündelt, er stichelt, er scherzt, setzt auf volles Risiko. Charmant ist Breinschmid allemal. 
Ihm sind Liszt, Bach und Verdi mindestens ebenso wichtig, wie Coltrane, Mingus und Reinhardt. Ein musikalischer Humanist, dieser Breinschmid, der die Stil-Schnipsel flüssig miteinander verzahnt, ihnen durch Tempo und Beiläufigkeit explosive Leidenschaft einhaucht, bei dem sich „Neurosen“ auf „Unterhosen“ (Titel „Danke“) reimen, bei dem ebenso präzise musiziert wird, wie flüchtig improvisiert. Diese sensible Hemdsärmligkeit kommt einem Feuerwerk emanzipierten Musikantentums nahe. Hier fliegen die Fetzen, jauchzen die Jodler und trauern die Nörgler. Ja, Intelligenz darf auch Spaß machen – und gleichzeitig zu Tränen rühren. Kaffeehausmusik von heute. Das lässt hoffen!

msn.com - Teleschau (D)

Karl Brand

Georg Breinschmid liefert den Beweis: Wiener Schmäh ist eine Scheibe. Oder in seinem Fall sind es sogar zwei. Denn was der Kontrabassist, einst Teil der Wiener Philharmoniker, auf seinem Doppel-Album „Double Brein“ mit seiner Band abfeuert, ist besser als jedes Silvester-Raketenszenario und süffiger als jeder Heurige. Unfassbar witzig und weise sind die Texte, dabei immer haarscharf am Abgrund vorbei. Der Tod tanzt – aber so herrlich, dass man am liebsten gleich mit dem Knochenmann unterwegs wäre.

Die Musik tobt sich dabei so unverschämt selbstverständlich zwischen den Stilen aus, dass man in jeder Beziehung von einem Ohr zum anderen grinst. Umgesetzt wird das Ganze zudem von exzellenten Musikern, deren Ideen für mindestens fünf Scheiben reichen würden. Auf CD eins gibt`s Jazz und Funk und Samba, Blues und Musette, Reggae und Ruhepunkte, Wienerlieder und Klezmer-Klänge. Auf der zweiten CD hingegen dominiert die Klassik mit Stücken von Bach und Verdi, die jedoch in geistreiche, nie anbiedernde oder gar dumme Arrangements gepackt werden – etwas Liszts „Mephistowalzer Nr. 1“.

So kommt es, dass das Doppel-Album mit seinen zweieinhalb Stunden Spieldauer nie langweilig oder lästig wird. Im Gegenteil: nach dem Konsum von „Double Brein“ sieht man die Welt mit all ihren Tücken von einer unerhört lässigen Seite – und hat „a bisserl“ das Gefühl, ein echter Wiener zu sein. So etwa bei „Danke“, in dem Breinschmid sich per Rap-Gesang bedankt: „Auch der Ming-Dynastie für schöne Vasen / Und den Kühen, die was auf der Weide grasen / Meiner Kindheit für die riesigen Neurosen / Der Firma Wolford für die tollen Unterhosen.“

Was besonders beeindruckt: beide Teile, der eher songorientierte und der eher klassische, fliessen dahin, ergänzen sich, als könnte es nicht anders sein. Auch weil Breinschmid auch auf dem ersten Album immer wieder Klassik-Zitate einbaut. Unter anderem „Wiener Blut“. Das Stück dazu heisst „Reich & Schön / Waltz of the idiots“. Ein besseres Weihnachtsgeschenk gibt es gar nicht für alle, die die Tücken des Lebens kennen.

Liederbestenliste Deutschland (D)

Kai Engelke

Georg Breinschmid – Double Brein

Puristen aus dem Lied- und Songbereich werden möglicherweise mit dieser CD-Empfehlung ihre Schwierigkeiten haben: Georg Breinschmid, ein österreichischer Musiker mit klassischer Ausbildung (Hauptinstrument: Bass), veröffentlicht eine Doppel-CD, wobei die erste CD gerade mal fünf Lieder präsentiert, die obendrein musikalisch im Jazz-Bereich anzusiedeln sind, und die zweite CD, stilistisch dem Klassikgenre zuzuordnen, gar überhaupt kein Lied im herkömmlichen Sinne anzubieten hat. Sei’s drum – dieses genresprengende Werk ist dermaßen vielfältig, intensiv und ungewöhnlich, dass eine besondere Hervorhebung geradezu notwendig erscheint.

Welcome back überschreibt Georg Breinschmid seine einleitenden Worte und spricht in der Folge von schweren Krisen, einer durcheinandergeratenen privaten Welt und großen Hindernissen, die es zu überwinden galt. Offensichtlich geht es um eine schmerzhafte Trennung und deren Folgen, die der Künstler mithilfe seiner Musik zu verarbeiten suchte. Sind nicht schon häufig die größten Werke auf der Basis von Verlust und Leid entstanden?

Breinschmid selbst beschreibt seine Musik als „natürlich nach allen Seiten offen und nie nur ein ‚reiner‘ Stil – so wie das Leben selbst.“ Diese Sicht- und Herangehensweise erweitert mit Sicherheit den musikalischen Horizont und beseitigt (im günstigsten Fall) Scheuklappen. Breinschmid kooperiert mit Jazz-, Caféhaus- und Klassikmusikern, und er schwärmt von der Zusammenarbeit mit Musikern aus der Wiener Folk-Szene.

„Samba for Michi“ ist ein von der Liebe inspiriertes Stück – die Liebe ging, der Samba blieb. Natürlich passt auch eine Musette bestens zum Thema Verlorene Liebe, immerhin versieht Breinschmid seine Komposition mit einem positiven Schluss. Auch witzige, skurrile Situationen, wie sie im Lied „Gabriel“ geschildert werden, können trösten. Die Einsicht, einen neuen Anfang zu wagen, ist relativ schnell vorhanden – Breinschmid besingt sie in seinem Lied „Wunder“ – doch Theorie und Praxis liegen bekanntermaßen oft weit auseinander. Eine lange Dankeshymne („Danke“), nur Stimme und Bass, verdeutlicht Breinschmids hintergründigen Humor auf skurrile Weise: „Meinem Tischler, danke für die Möbel/für das Wahlergebnis danke an den Pöbel/dem Django Reinhardt für die Musik/und der Elisabeth, sie war mein höchstes Glück …“ Ach, ja. Und bei aktuellem Seelenschmerz darf selbstverständlich ein Blues nicht fehlen („Blues in the Kitchen“). Ein eher ungeeigneter, doch häufig benutzter Trostspender ist der Alkohol („B’soffm in Heanois“). „Brein in da Koffihaus“ spielt mit Dub- und Reggae-Elementen und signalisiert fast schon ein Ende der Krise.

Die zweite – liedfreie – CD offeriert einige von Breinschmids Lieblingskomponisten in phantasievollen, eigenwilligen Arrangements: Franz Liszt, Guiseppe Verdi, Johann Sebastian Bach und natürlich einige zeitgenössische beziehungsweise Eigenkompositionen im klassischen Stil. 
Ein anspruchsvolles, in vielerlei Hinsicht besonderes Werk.

Die persönliche Empfehlung CD – Januar 2015
Georg Breinschmid – Double Brein
Preiser Records Vienna (www.georgbreinschmid.com)
Empfohlen von Kai Engelke, Surwold/Emsland

Wiener Zeitung

Christoph Irrgeher

Hätte Georg Breinschmid sein neues Werk auf Platte veröffentlicht, der Titel wäre sich nicht ausgegangen: Prallvoll mit neuer Musik, würde „Double Brein“ locker drei Langspieler füllen, statt nun zwei CDs an den Rand der Speicherkapazität zu treiben. Was den Eindruck der Wundertüte noch verstärkt: Der 41-jährige Kontrabassist, einst tätig in den Reihen der Wiener Philharmoniker, scheut auch auf seinem jüngsten Streich weder Stilsprünge noch Spaßetteln. Die Spielfreude ist mindestens ebenso groß wie „Breins“ Arbeitsgerät, und der musikalische Kosmos schier gewaltig. In wechselnden, weitgehend akustischen Formationen fidelt, bläst, singt und jazzpianisiert man sich durch die neuen Stücke des Wahl-Hernalsers: Wienerlieder, Austro-Pop, Weltmusik, Quasi-Klassisches und nicht zuletzt groovelastigen Jazz, den Breinschmids Schnalzbass vorantreibt. Und weil das oft nicht ganz sortenrein abläuft, ergeben sich witzige Gemengelagen: Da gipfelt das Balkan-Instrumental „Gabriel“ in den (tatsächlich so gehörten) Appell „Speibt’s mir bitte nicht in den Bus hinein!“; und am Ende des Reggaes „Brein in da Koffihaus“ verschlägt es den Duopartner Thomas Gansch nicht etwa in die (anfangs zitierte Verdi-)Aida, sondern eine andere Genussregion („Gansch in da Coffeeshop!“).

Apropos Gansch: Der lässt seiner Lust am virtuosen Trompetenirrwitz wieder ebenso die Zügel schießen, wie Breinschmids übrige Solisten glänzen – von Vibraphonist Franck Tortiller über den grandiosen Gypsy-Gitarristen Diknu Schneeberger bis zu Saxofonist Gerald Preinfalk, der in dem Instrumental „Odessa“ furios abhebt. Und nicht zu vergessen die Gebrüder Janoska, einst fixe Partner in Brein’s Café: Auf der (klassiknahen) zweiten CD vollführen sie mit Liszts „Mephistowalzer“ einen fulminanten Höllenritt. Insgesamt: Einer der Gipfelpunkte des heimischen Jazzjahres.

Kulturwoche

Manfred Horak

Das Musikjahr 2014 brachte vor allem im Bereich Jazz & Artverwandtes einige besondere Ohrschmankerln hervor. Manfred Horak rollt den roten Teppich für seine Lieblingsalben des Jahres aus.

Georg Breinschmid: Double Brein 

Musik der Gegenwart, eine Magical Comedy Tour de Jazz, virtuos ausgeführt ohne zu protzen. Ein Gegengewicht zur moralinsauren Befindlichkeitsgesellschaft, die sich schnell über alles Mögliche (und Unmögliche) aufregt und es noch schneller vergisst. Vor allem aber ist Double Brein Musik, die sich an nichts hält. Das nennt man wohl künstlerische Freiheit, die von insgesamt 26 Musikerinnen und Musikern ohne Kompromisse auf zwei CDs ausgelebt wird. Auf der einen ist der Jazz, der Folk, das Lied, der Reggae, der Blues, die Improvisation allgegenwärtig, auf der anderen die Klassik, bei der allerdings nicht das Blatt lesen geübt wird, sondern das Zelebrieren gegenwärtiger Empfinden.

Jazzpodium (D)

Jörg Konrad

In „Double Brein“ steckt alles, wofür Georg Breinschmid in der Musik steht. Sein kompositorisches Vermögen, sein interpretatorisches Geschick, sein Gespür für packende Arrangements, sein Faible für Improvisationen. Dabei scheint es für den Wiener Bassisten fast unerheblich, ob er seine musikalischen Herausforderungen von den Ufern des Jazz, der Klassik, des Blues oder der Karibik aus unternimmt. Breinschmid badet mitten im See, der alle diese stilistischen Eigenschaften miteinander in Beziehung bringt, sie verbindet. Noch dazu besitzt er etwas Elementares, etwas Unvergleichliches, etwas das in der Musik so selten und so schwierig umzusetzen ist: Georg Breinschmid besitzt Humor! Und so ist es eben kein Wunder, dass er für seine musikalischen Überlandpartien ausgezeichnete Mitstreiter findet, die beinahe jeden Titel zu einer Erlebnistour werden lassen. Ob Gerald Preinfalk in einem Samba, Benjamin Schmid und Diknu Schneeberger in einer Musette, Vladimir Karparov in einer Ballade, Antoni Donchev in einem Blues, Johannes Dickbauer in einer Art rumänischer Hochzeitsmarsch, oder die Janoska-Brüder in einem Walzer und mit Franz Liszt. Und zwischendurch blitzt immer wieder die strahlende Trompete von Breinschmids altem Kollegen und verlässlichen Freund Thomas Gansch auf. Wie gesagt, dieser Doppelpack beinhaltet grosse Musik.

Kulturzeitschrift

Peter Füssl

28 Stücke auf zwei CDs, zweieinhalb Stunden, ein prallvoller Bauchladen gefüllt mit verblüffender Virtuosität, originellen Gags, sentimentaler Gefühligkeit, treffsicherem Witz und hochgradig Verrücktem.

Das reicht gerade mal aus, um wenigstens eine Ahnung von der kreativen Fülle George Breinschmids zu vermitteln, der sich souverän im Spannungsfeld von Klassik, Jazz, Neuem Wienerlied, „Brein’s Café“haus-Musik und seit neuestem auch Folk bewegt – und der keine Wahnsinnsattacke ungenutzt an sich vorüberziehen lässt. Das folgt nicht wirklich einem Konzept, sondern ist ein lustvoll zusammengewürfeltes, atemberaubendes Sammelsurium, dessen Reiz in seiner üppigen Vielseitigkeit liegt. Und natürlich in der durchgehend erstklassigen musikalischen Qualität, für die Namen wie Gerald Preinfalk, Antoni Donchev, Benjamin Schmid, Diknu Schneeberger, Thomas Gansch, Frank Tortiller, Tommaso Huber oder Sebastian Gürtler bürgen, um nur einige der in unterschiedlichsten Formationen auftretenden Langzeit-Weggefährten Breinschmids zu nennen. Dieser hübsch aufgemachten musikalischen Zaubertruhe sollte man sich mit der staunenden Offenheit und unbekümmerten Freude eines Kindes hingeben, das zweieinhalb Stunden Zeit hat, sich in seinem Lieblings-Spielzeugladen mal so richtig auszutoben. 
(Preiser Records)

Crescendo

Attila Csampai

Der Wiener Kontrabass-Virtuose, Komponist, Sänger und Texter Georg Breinschmid passt in keine Schublade. Sein musikalischer Horizont ist grenzenlos und doch gefiltert durch die freundliche Melancholie eines „Kakaniers“, der aus allen denkbaren musikalischen Traditionen einen ganz eigenen welthaft-offenen „Jazz-Folklore-Klassik-Stilmix“ zusammenbraut und damit schon seit Jahren die Wiener Musikszene aufmischt. Auf seinem neuen Doppelalbum „Double Brein“ hat er wieder den den gesamten österreichischen Jazz-Adel versammelt, insgesamt 24 Topmusiker, mit denen er einen 28-teiligen Wahnsinnstrip unternimmt von Bebop über Samba, Blues, Gipsy Jazz, Wiener Walzer, Balkan Sounds, mit Travestien von bach, Liszt, Verdi bis zum Monti-Csardas und dem Wienerlied, das er endlich von allem Heurigen-Mief befreit. Und zusammengeschweisst wird das Ganze durch die Power seines wild schnalzenden, faszinierend-virtuosen Bassspiels, das eine ganze Rhythmusgruppe ersetzt. Breinschmid ist fürwahr ein „genius madman“, und sein neues Album eine Beichte, eine Liebeserklärung und ein Suchtmittel.