menu

Strings & Bass

CD-Kritiken

Westfälische Allgemeine

Ralf Stiftel

August 2017

Ein knackiges Bluesrock-Riff an der akustischen Bassgitarre, dann einige ekstatische Rufe, und dann sägen sie los, zwei Geiger und ein Cellist erzeugen Hochspannung, Dissonanzen, dann wieder scheinen sie in die Harmonie einzuschwenken, um gleich wieder in höchsten Tönen zu fiedeln, dass sich beim Hörer die Plomben lockern.
Hätte Jimi Hendrix das gekannt, er wäre Geiger geworden. Selten hatte man mehr Spaß daran, dass einem die Hörnerven lang gezogen wurden.
Doch der Herausforderung in „Kreizal“ folgt gleich der spätromantische Wohlklang in der „Impressione #3“. Bei Streichquartett denkt der Musikfreund sofort an klassische Musik. Aber gerade in Österreich hält man sich nicht an solche Grenzen. Das radio.string.quartet.vienna hat zum Beispiel die Musik von Weather Report und dem Mahavishnu Orchestra neu interpretiert.
„Strings & Bass“ wiederum verstößt gegen die Regeln schon in der Besetzung, weil statt einer Bratsche ein Kontrabass (und zweimal die Bassgitarre) mitwirkt, bedient von Georg Breinschmid, der von den Wiener Philharmonikern zum Vienna Art Orchestra wechselte. Auch die Geiger Florian Willeitner und Johannes Dickbauer und Cellist Matthias Bartolomey sind virtuose Grenzgänger zwischen Klassik und Jazz. Die Platte erkundet lustvollst unbekannte musikalische Gefilde. Das Eröffnungsstück „O(s)iris“ treibt den spröden kammermusikalischen Duktus der zweiten Wiener Schule immer wieder in Ausbrüche mit schroffer Rhythmik. Und das hinreißende „Valentinair“ treibt wilden Schabernack mit allerlei Variationen auf irische Folklore. Aber immer, wenn das Tanzbein zuckt, springen sie in neue Rhythmen oder lassen den Teufelsgeiger von der Kette.

Wiener Zeitung

Christoph Irrgeher

Sommer 2017

Streicherschmäh
Das Streichquartett ist eine ernste Sache: man hört hier „vier vernünftige Leute sich untereinander unterhalten“, hat Johann Wolfgang von Goethe gesagt. Florian Willeitner, Johannes Dickbauer, Matthias Bartolomey und Georg Breinschmid sehen das nicht ganz so eng: in ihrer Kombo, einem Schmelztiegel für Jazz, klassische und folkloristische Töne, kann auch einmal der Schmäh den Ton angeben und ein Geigenglissando so elendslang über einem Groove greinen, bis irgendwer „schiach!“ und „aus!“ ruft.
Das Schöne an dem Album ist aber zuvorderst, dass es neben solchen kleinen Kasperliaden Qualität beschert. Vor allem die älteren Stücke des Crossover-Bassisten Breinschmid, die der Geiger Willeitner neu arrangiert hat, bestricken: in langsamen Momenten entsteht hier mitunter ein Quartettklang von fragiler Poesie, irgendwo zwischen Spätromantik und Frühmoderne. Zwar erreicht nicht jede Nummer dieses Betörungsniveau, bietet dann aber meist Spielfreude und Schwung.

Crescendo

Attila Csampai,

Streichquartette sind äußerst seltene Gäste im Jazz. Die aus drei Österreichern und dem deutschen Primgeiger bestehende Viererformation „Strings & Bass“ aber dürfte einmalig sein. Denn da haben sich zwei Topgeiger und ein Cellist mit dem Wiener Kontrabass-Virtuosen Georg Breinschmid zusammengetan, um in ungemein raffinierten, komplex ausgetüftelten Arrangements einen weltoffenen, auf „klassischem“ Fundament basierenden und zugleich folkloristisch inspirierten Jazz zu kreieren, bei dem Breinschmid mit seinen knackigen Bass-Grooves eine ganze Rhythmusgruppe ersetzt. Die anderen drei aber entfalten mit kühnen harmonischen Sequenzen atmosphärische Stimmungsbilder von orchestraler Dichte oder steigern sich in wilde Improvisationsduelle. Eine 15-minütige, sauber durchkomponierte „irische“ Rhapsodie bildet den ernsten Seelenkern des ungewöhnlich dichten Programms, während die vier ihr wildes Herz in „Kreizal“, einem atonal-schrillen, subversiven Blues ausleben. „Strings & Bass“ ersetzt locker eine ganze Big Band.